Tumeszenz-Liposuktion
Das Wort “Tumeszenz” bedeutet “feste Anschwellung”. Bei der Tumeszenzmethode wird eine so große Menge an verdünntem Lidocain (Lokalanästhetikum) und Epinephrin (Medikament, das Kapillargefäße zusamenzieht) in das subkutane Fettgewebe injiziert, daß das betroffene Gewebe anschwillt und fest wird (= Tumeszenz). Bei derTumeszenz-Methode werden große Teile des subkutanen Fettgewebes lokal betäubt, was eine Liposuktion (Fettabsaugung) ausschließlich unter Lokalanästhesie erlaubt.Die Tumeszenzmethode eliminiert sowohl die Notwendigkeit einer Vollnarkose als auch die von intravenösen Narkotika und Sedativa. Die Tumeszenzmethode der Liposuktion ist gekennzeichnet durch 1.) Lokalanästhesie, 2.) Verengung der Blutgefäße und dadurch Schutz vor chirurgischem Blutverlust und 3.) Flüssigkeitszufuhr zum Körper durch subkutane Injektion, so dass keine intravenöse Flüssigkeitszufuhr nötig ist.
Verdünnte Tumeszenz-Lösung
Abhängig von den klinischen Erfordernissen kann die Tumeszenz-Anästhetikum-Lösung eine 5- bis 40-fache Verdünnung von Lidocain in der kommerziell erhältlichen Zusammensetzung des Lokalanästhetikums aufweisen. Kommerzielle Lidocain-Lösungen, die von Zahnärzten oder Anästhesisten normalerweise benutzt werden, enthalten 1 Gramm Lidocain und 1 Milligramm Epinephrin pro 50 Milliliter Kochsalzlösung. Im Kontrast dazu steht die Tumeszenz-Anästhetikum-Lösung, die ca. 1 Gramm Lidocain und 1 Milligramm Epinephrin pro 1.000 Milliliter Kochsalzlösung enthält. Das ist eine 20-fache Verdünnung der kommerziell erhältlichen Version von Lidocain und Epinephrin.
Verdünnung und Gefäßverengung erzeugen erhöhte Sicherheit
Eine Tumeszenz-Liposuktion ausschließlich unter Einsatz einer Lokalanästhesie hat sich als extrem sicher bewiesen – trotz der unwahrscheinlich hohen Dosen an Lidocain und Epinephrin. Die Erklärung für die beachtliche Sicherheit ist der extrem hohe Verdünnungsgrad der Tumeszenz-Anästhetikum-Lösung. Große Mengen an verdünntem Epinephrin erzeugen eine intensive Verengung der Kapillargefäße im zu behandelnden Fettgewebe, was wiederum die Absorptionsgeschwindigkeit von Lidocain und Epinephrin sehr verlangsamt. Unverdünntes Lidocain und Epinephrin wird innerhalb von weniger als einer Stunde in den Blutkreislauf absorbiert. Die Tumeszenz-Lösung erzeugt eine umfangreiche Verengung der Gefäße, wodurch die Absorption über einen Zeitraum von 24 bis zu 36 Stunden verteilt wird. Dies reduziert die Maximalkonzentration von Lidocain im Blut, was wiederum die potentielle Toxizität der Lidocain-Dosierung reduziert. Zahnärzte benutzen häufig konzentriertes Epinephrin, was eine erhöhte Herzfrequenz zur Folge hat, wenn das Epinephrin zu schnell absorbiert wird. Wenn eine sehr verdünnte Tumeszenz-Epinephrin-Lösung benutzt wird, vermindert die ausgedehnte Gefäßverengung das Absorptionstempo des Epinephrins und schützt so vor einer Erhöhung der Herzfrequenz.
Gefäßverengung schützt vor Blutverlust
Das profunde Zusammenziehen der kapillaren Blutgefäße (Vasokonstriktion) ist die Folge des Eindringens der Tumeszenz-Lösung (mit großen Mengen an verdünntem Epinephrin) in das subkutane Fettgewebe. Die Gefäßverengung bei der Tumeszenzmethode ist so vollständig, dass die Liposuktion (Fettabsaugung) fast ganz ohne Blutverlust erfolgt. Im Gegensatz dazu stehen alte Formen der Liposuktion, die in Zeiten vor der Einführung der Tumeszenz-Methode angewandt wurden, bei denen der Blutverlust beim chirurgischen Eingriff so hoch war, dass autologe Bluttransfusionen (Bluttransfusionen mit eigenem, vorher vom Patienten selbst gespendetem Blut) oft die Regel waren.
Gefäßverengung verlängert das Anhalten der Lokalanästhesie
Weil die Gefäßverengung die Absorption des Lidocains verzögert, bleibt das Lokalanästhetikum im Fettgewebe noch viele Stunden bestehen. Diese verlängerte Anästhesiezeit erlaubt eine Operation bis zu 10 Stunden nach Einbringen der Substanz und bietet eine 24 bis 36 Stunden andauernde, post-operative und signifikante Schmerzfreiheit.
Empfohlene Lidocain-Dosierung
Die maximal empfohlene Lidocain-Dosierung ist 40 mg/kg bis zu 50 mg/kg für eine Tumeszenz-Liposuktion (Fettabsaugung), wenn das Lidocain stark verdünnt ist. Das ist eine relativ hohe Dosis verglichen mit 7 mg/kg, was weithin als “sichere maximale Dosis für Lidocain mit Epinephrin” der von Anästhesisten benutzten Dosierungen bezeichnet wird. Diese benutzen unverdünntes Lidocain als Nervenblockierungen wie z.B. epidurale Blockierungen.
Mikrokanülen
Eine Liposuktions-Kanüle ist ein Edelstahlröhrchen, das durch eine kleine Öffnung oder einen Einschnitt (Inzision) in der Haut in das subkutane Fettgewebe eingeführt wird. Eine Mikrokanüle hat einen äußeren Durchmesser von 1 bis 3 mm. Durch die spezielle Konstruktion kann eine Mikrokanüle Fett sehr effektiv entfernen. Der Einsatz von größeren Kanülen, z.B. solchen mit einem äußeren Durchmesser von 3 mm bis 6 mm, erfordert größere Inzisionen und hinterläßt normalerweise sichtbare Narben.
Zugänge
“Zugänge” sind kleine Löcher in der Haut, erzeugt durch runde Ausstanzungen der Haut (Hautbiopsien). Sie werden dazu benutzt, die Liposuktions-Kanüle im Zuge des Liposuktions-Prozesses hinein- und herauszuschieben. Die Zugänge dienen des Weiteren zum Abfluss der mit Blut vermischten Anästhetikum-Lösung nach der Liposuktion (Fettabsaugung). Durch die der Haut eigenen Dehnungsfähigkeit paßt eine Mikrokanüle normalerweise in ein 1,0 mm bis 1,5 mm oder 2,0 mm großes Loch in der Haut, erzeugt durch Hautausstanzungen. Diese winzigen Löcher verschwinden nach der Liposukton normalerweise ohne Narbenbildung. Die Zugänge sind so klein, dass sie keine chirurgische Naht benötigen. Da die Zugänge nicht durch eine Naht verschlossen werden, fördern sie umfassend das post-operative Abfließen der mit Blut vermischten Anästhetikum-Lösung, was wiederum ein vermindertes Aufkommen von post-operativen Blutergüssen, Druckempfindlichkeit und Schwellung zur Folge hat. Größere Kanülen erfordern das Einbringen größerer Inzisionen. Wenn größere Inzisionen durch eine Naht verschlossen werden, ist der Abfluss der Flüssigkeit verzögert und Schwellungen, Blutergüsse und Schmerzen nach der Liposuktion (Fettabsaugung) treten vermehrt auf.
Ebenmäßigere Resultate der Liposuktion (Fettabsaugung)
Ebenmäßigere Resultate der Liposuktion können erreicht werden, indem Mikrokanülen benutzt werden, die ein graduelleres und kontrollierteres Entfernen des Fettgewebes ermöglichen. Das vereinfacht es für den Chirurgen, ein ebenmäßigeres Resultat zu erzielen. Größere Kanülen sind mit einem erhöhten Risiko verbunden, durch die Liposuktion Hautvertiefungen und Unregelmäßigkeiten zu erzeugen. Größere Kanülen entfernen das Fett so schnell, dass dadurch das Risiko, zu viel Fett zu entfernen, entsteht. Es ist außerdem schwieriger, die Richtung einer großen Kanüle genau zu kontrollieren. Mit jedem Versuch mit einer größeren Kanüle, die Richtung ein klein wenig zu verändern, besteht die Gefahr, in einen vorher schon in das Fettgewebe eingebrachten Tunnel einzudringen. Dieser Mangel an präziser Kontrollmöglichkeit trägt zum Risiko von Hautunregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit der Liposuktion mit großen Kanülen bei.
Andere Vorteile der Tumeszenz-Anästhesie
Weil die Tumeszenz-Lokalanästhesie so lange anhält, ist die Tumeszenz-Liposuktion weniger schmerzhaft und angenehmer als eine Liposuktion unter Vollnarkose oder intravenöser Sedierung. Durch die Anwendung einer Tumeszenz-Lokalanästhesie können post-operative Übelkeit und Erbrechen, üblich bei einer Vollnarkose, verhindert werden. Die Tumeszenz-Anästhesie ist so effektiv in Hinsicht auf die Flüssigkeitsversorgung des Körpers, dass eine intravenöse Flüssigkeitszufuhr unnötig ist. Es besteht sogar das Risiko einer übermäßigen und damit gefährlichen Flüssigkeitszufuhr, wenn einem Patienten zusätzlich zur Tumeszenz-Anästhesie exzessiv intravenös Flüssigkeit zugeführt wird.
Kurze Geschichte der Tumeszenz-Liposuktion
Die Tumeszenz-Liposuktion wurde 1985 erfunden und entwickelt. Sie wurde das erste Mal bei einem wissenschaftlichen Treffen 1986 präsentiert und 1987 das erste Mal in einer Publikation erwähnt (JA Klein: “The tumescent technique for liposuction surgery”; Journal of the American Academy of Cosmetic Surgery, Jahrgang 4, Seiten 263 – 267, 1987) Lesen Sie hierzu bitte auch “Die Geschichte der Tumeszenz-Liposuktion”.
Das maßgebliche Buch über die Tumeszenz-Liposuktion trägt den Titel “The Tumeszent Technique” und ist von Dr. med. Jeffrey Klein, herausgegeben im Jahre 2000 von Mosby, St. Louis, Missouri, USA. Dr. Klein ist der Erfinder der Tumeszenz-Methode. Dieses Buch enthält ca. 500 Seiten detaillierter Information über die Tumeszenz-Anästhesie, Liposuktion mit Mikrokanülen, Lokalanästhesie, Pathophysiologie, Komplikationen, Pharmakologie, Pharmakokinetik, chirurgische Technik, post-operative Pflege und Ausführungen über spezielle Gesichtspunkte der Liposuktion jeder einzelnen Köperregion. Dieses Buch ist erhältlich über den Online-Shop von “hksurgical.com”.